Schritt für Schritt werden, der "Ich-bin"

wahrhafter Mensch werden - bewusst und frei wachsen - Neues im Leben erschaffen

Lieben aus der Fülle.

Das Bild von der „Schale der Liebe.“


Schale der Liebe

“Wenn Du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während jene wartet, bis sie gefüllt ist.
Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter.
Lerne auch du, nur aus der Fülle ausgießen, und habe nicht den Wunsch, freigiebiger zu sein als Gott.
Die Schale ahmt die Quelle nach.
Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist,
strömt sie zum Fluss, wird sie zur See.
Du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen und dann ausgießen. Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen, nicht auszuströmen.
Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst.
Wenn du nämlich mit dir selbst schlecht umgehst,
wem bist du dann gut?
Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle;
wenn nicht, schone dich.”

von Bernhard von Clairvaux
(franz. Bernard de Clairvaux; * um 1090 auf Burg Fontaine-lès-Dijon bei Dijon; † 20. August 1153 in Clairvaux bei Troyes, war ein mittelalterlicher Theologe, Abt und Mystiker und einer der bedeutendsten Mönche des Zisterzienserordens)

Das Bild von der Schale der Liebe beschreibt die Liebe als etwas, das überfließt und sich aus der Fülle ausgießt. Und damit verbunden ist die ausdrückliche Aufforderung:
“Du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen und dann ausgießen.”

Wie kann es gelingen, dieses “anfüllen”? Es ist ja die Bedingung, um ausgießen zu können. Wo ein Mangel ist, läuft nichts über. Ausgießen gelingt nur aus der Fülle und die spannende Frage ist: wie geht “anfüllen” und in die Fülle kommen?

Woher kommt das Überfließende?

In dem anthroposophischen Verständnis, wie ich es in walking The walk ausgearbeitet habe, kommt die Fülle aus dem Handeln als Ich. Das Ich ist unser wahres Selbst, unser geistiger Wesenskern. Das ist etwas anderes als unser Alltagsbewusstsein von uns selbst (niederes ich). Ausführlich beschrieben habe ich diesen wichtigen Unterschied im Blog “Abenteuer Menschheit” und auch in dem Blog über die “Selbsterkenntnis.”

Überfließende Liebe ist die wahre Liebe aus dem Ich. Sie ist nicht auf die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse und des eigenen Glücks bedacht (niederes ich), sondern sie verschenkt sich aus der Fülle.

Dann bleibt die Frage, wie es gelingt, aus dem geistigen “Ich” heraus zu handeln?
Die Antwort ist im Grunde ganz leicht: wenn ich mir meines geistigen Wesenskerns bewusst werde, dann kann ich ihn ergreifen und daraus handeln.

Zugegeben,
der Weg dahin ist nicht trivial: er erfordert moralische Arbeit an mir selbst, das Trainieren meiner Seelenkräfte und ein echtes, selbstloses Interesse für die geistige Welt. Es ist ein innerlich-seelischer Weg, der mich als ganzen Menschen würdigt.

Wenn ich auf diesem Weg dann immer mehr mein “Ich-bin” erkenne, dann verwirkliche ich Schritt für Schritt die bedingungslose, selbstlose, allumfassende Liebe (wer möchte, liest über die Qualität des “Ich-bin” in diesem Blog).

Worum soll es sich bei diesem Weg handeln?

Es handelt nicht davon, abstrakte Theorien zu verstehen, eine Lehre anzunehmen, etwas zu glauben, sondern es handelt davon, eine geistig-kosmische Kraft in sich lebendig zu erkennen und dann daraus als wahrhafter Mensch zu handeln.
Es ist ein seelischer Erkenntnisweg.

Und die lebendigen Erkenntnisse über die geistige Welt vermittelt die Anthroposophie durch die Originaltexte von Rudolf Steiner. Natürlich gibt es auch noch andere Texte, die einer unmittelbar geistigen Anschauung entnommen sind, wie z.B. die Evangelien.
Anthroposophie ist keine äußerliche Mitteilung von Inhalten. Sondern sie ist lebendiger Inhalt, der im Geist erfasst wird durch die Tätigkeit der Seele.

Lebendige Erkenntnisse sind wesenhaft, nicht abstrakt, nicht theoretisch. Sie bleiben nicht im Intellekt, sondern sie wirken auch im Gefühl und im Willen. Sie verfeinern Empfindung und Gefühl und werden lebendig im ganzen Menschen.
Wenn ich mir also nicht auf intellektuelle Art Gedanken über die geistige Welt bilde, sondern wenn ich das Geistige mit den Kräften meiner Seele bewusst erlebe, dann komme ich zum Erkennen des “Ich-bin” und des Erlebens echten und wahren Menschentums.

Dann lebe ich im Einklang mit meinem Mensch-Sein, als das “Ich-bin.”

Und das ist der Augenblick, wo die wahrhafte Liebe grenzenlos aus der Fülle fließt, so wie im Bild von der Schale der Liebe eingangs beschrieben.

Es ist ein Stück Weg bis dahin. Aber es ist der spannendste Weg, den man als Mensch gehen kann. Und es ist im Grunde unsere Menschheitsaufgabe ganz und gar, dieses Potenzial zu verwirklichen.

Für weitere Gedanken und Austausch stehe ich gerne für ein Stück gemeinsamen Weg zur Verfügung.